: Der Pate hat Ärger
Der argentinische Fifa-Vizepräsident Julio Grondona muss wegen antisemitischer Äußerungen vor Gericht
BUENOS AIRES taz ■ Julio Grondona, Nummer eins des Argentinischen Fußballverbands (AFA) und Nummer zwei des Weltfußballverbands (Fifa), droht Gefängnis – zumindest wenn es mit rechten Dingen zugeht. Der argentinische Staranwalt Ricardo Monner Sans, der bereits Expräsident Carlos Menem in Hausarrest geschickt hatte, präsentierte vor Gericht eine Klage gegen Grondona. In dem Schriftsatz legt er dem obersten Fußballfunktionär Argentiniens Antisemitismus zur Last – in Argentinien eine Straftat.
Den Beweis hat Monner Sans auf Video, und er war ohnehin in ganz Argentinien zu sehen. Von einem Fernsehreporter gefragt, warum es in der argentinischen Liga so wenige jüdische Schiedsrichter gebe, antwortete Grondona: „Den Juden gefallen komplizierte Sachen nicht.“ Und deswegen würden sie die Schiedsrichterprüfung nicht schaffen.
Solche diskriminierenden Äußerungen stehen in Argentinien nach Artikel 3 des Antidiskriminierungsgesetzes unter Strafe. Grondonas Entschuldigung, er habe alles nicht so gemeint, will Sans nicht durchgehen lassen. „Dieser Herr hat großen Einfluss in internationalen Fußballorganisationen, seine Stimme wird weltweit gehört, und er muss deshalb besonders darauf achten, was er sagt.“
Antisemitismus in argentinischen Fußballstadien ist kein neues Phänomen. Bei Auswärtsspielen des Clubs Atlético Atlanta aus dem jüdischen Viertel Villa Crespo in Buenos Aires werden regelmäßig Lieder über „abgeschnittene Schwänze“ der Atlanta-Fans gesungen. Der Fußballverband hat dazu schon immer geschwiegen. Neu ist, dass sich sein Chef Grondona zu antisemitischen Sprüchen hinreißen lässt.
Es ist aber schwer vorstellbar, dass Grondona hinter Gittern landet. International hat er beste Beziehungen. Der Argentinier ist einer der treuesten Freunde von Fifa-Chef Joseph Blatter. Als Blatter vergangenes Jahr bei einer Sitzung des Fifa-Exekutivkomitees sein Gehalt – immerhin 65.000 Dollar im Monat – offen legen musste, gab er zu, dass er diese Summe allein mit seinem Stellvertreter Grondona ausgehandelt hatte.
Selbstbedienung ist auch Julio Grondonas Prinzip als AFA-Chef – er ist der Pate des argentinischen Fußballs. Ungeniert zieht Grondona hinter den Kulissen die Strippen im argentinischen Verbandsfußball und verdient dabei kräftig mit. Bislang hat er noch alle Skandale ausgesessen. Die Liga fast pleite? Ihm doch egal. Undurchsichtige Deals bei Spielertransfers? Ach was. Gemauschel bei den Fernsehrechten? Nie bewiesen. Gewalt im Stadion? Das wird schon wieder. Bislang zumindest war Grondona unantastbar. INGO MALCHER